Samstag, 17. September 2022

Achteinhalbte Wanderung 2022: Nürnberg nach Rothenburg odT

Von Nürnberg nach Rothenburg odT

Vier Tage Zeit zum Wandern? Da lohnt die Anfahrt nach Frankreich nicht. Aber mit dem 9-Euro Ticket lässt sich da doch etwas machen! Der Weg durch Franken, den ich 2020 eher aus Mangel an Alternativen gewählt hatte war sehr schön gewesen und mit etwas Anstrengung sollten sich die knapp 100 Kilometer von Nürnberg nach Rothenburg auf dem Mittelfränkischen Jakobsweg anstatt in den vorgesehenen fünf Tagen auch in vier pilgern lassen.

St. Jakob in Nürnberg

Anreise und erster Wandertag: Von Nürnberg nach Fernabrünst (So, 28.8. - 29,5km)

Um die Mittagszeit komme ich am Bahnhof an. Es ist trotz des Sonntags recht viel Verkehr. Während der alte Ortskern von Nürnberg weitestgehend charmant ist, zieht sich die Strecke durch den Speckgürtel langweilig dahin. Die Markierungen sind überwiegend abgekratzt und mehr als einmal brauche ich den GPS-Track auf dem Handy.
Die verspätete Mittagspause lege ich bei der Kirche von Oberweihersbuch ein. Hier wird es schon angenehmer und ländlicher.
In der Kirche von Oberweihersbuch
Frisch gestärkt geht es weiter in Richtung Unterbüchlein. Ein schöner Trampelpfad führt entlang der Straße in ein Bachtal. Dort entspringt eine klare Quelle mit trinkbarem Wasser. Zumindest versichert mir das die Dame, die dort zahlreiche Flaschen füllt. Ich stille meinen Durst und folge dem Tal vorbei an Gutzberg.
Klares Wasser direkt am Weg
Hier, nach knapp 15 Kilometern, ist die halbe Strecke für heute zurückgelegt. In Roßtal wäre der geeignete Ort eine Unterkunft zu suchen, ich muss aber ein paar Kilometer mehr gehen um die Strecke sicher in vier Tagen zu schaffen. Es gibt zahlreiche Rastmöglichkeiten entlang des Weges, größtenteils in sehr gutem Zustand. An einem Rastplatz mit Tisch und Bänken verbringe ich die Nacht. Es ist warm genug im Schlafsack bei Tiefsttemperaturen um 10 Grad. Es hatte in den letzten Tagen geregnet und so fällt mehr Tau als ich vorhergesehen hatte. Trotzdem bleibe ich warm und trocken unter dem Sternenzelt. Die Milchstraße ist als fahles Band über mir fast die ganze Nacht lang zu sehen.

Zweiter Wandertag: Fernabrünst nach Wernsbach (Mo, 29.8. - 30km)

Es ist ein feuchter, aber schöner Morgen. Ich trockne meinen Schlafsack an einer der jungen Eichen, die am Rastplatz stehen und mache mich mit einem kleinen Frühstück auf den Weg.
Sonnenaufgang am Übernachtungplatz
Kaum losgelaufen, bleibe ich im winzigen Ort Wendsdorf beim Bauernladen hängen. Herrlich: komplette Selbstbedienung, das Kässle für die Bezahlung steht neben der Tür, daneben ein Schüsselchen mit Wechselgeld. Hätte ich einen Kocher mitgenommen, wären hier ein paar tolle Suppen und andere Konserven zu haben gewesen. - Aber auch das Eis ist super lecker, dem ich trotz der frühen Stunde nicht widerstehen kann.
Omnomnommmm!
Nach etwa 10 Kilometern erreiche ich Heilsbronn mit der ehemaligen Klosteranlage. Aus einigen Fenstern des religionspädagogischen Zentrums höre ich Musik. Ich bleibe stehen und lausche eine Weile.
Das ehemalige Kloster ist nur bruchstückhaft erhalten. Auf der neu gestalteten Fläche des nicht mehr vorhandenen Kreuzgangs steht neben dem Zierbrunnen auch ein Trinkwasserbrunnen, an dem ich meine Wasserflaschen nachfülle.
Hier war der Kreuzgang
Das Heilsbronner Münster mit der Grablege der fränkischen Hohenzollern ist unbedingt sehenswert. Leider gibt es keine Führung und auch das Klostercafe hat an diesem Montagvormittag geschlossen. Besonders charmant ist das Brunnenhaus, das allerdings einige hundert Jahre jünger ist als die Klosteranlage.
Die "Vier Perlen am Jakobsweg" bei Großhaslach sind den kleinen Umweg wert, wobei die Station2  "Feuer" mich am tiefsten beeindruckt, auch wenn (oder gerade weil?) sie noch einen leichten Baustellencharakter hat.
Ein Stück vor Wernsbach treffe ich im Wald eine Spaziergängerin mit ihrem Hund. Auch sie pilgert immer wieder und kennt den zur Übernachtung von mir eingeplanten Schäferwagen im Schauobstgarten nach Wernsbach.
Für einen einzelnen Pilger gerade recht
Dort angekommen finde ich den Wagen frei für die Nacht, dazu bequeme Bänke und einen großen Tisch.
Am Abend kommt die Besitzerin des Schauobstgartens und schaut nach Ihrer Anlage. Der Garten ist in der Umgebung wohlbekannt und sie veranstaltet dort immer wieder Kurse für Kinder.
Als es kühler wird lege ich meinen Schlafsack in den Wagen und schlafe vorzüglich.

Dritter Wandertag: Wernsbach nach Binzwangen (Di, 30.8. - 27km)

Schnell ist am Morgen die Ausrüstung wieder eingepackt. Der Rucksack und alle sperrigen Sachen haben in einer Plastikkiste unter dem Wagen übernachtet. - Sehr clever organisiert.
Ruhig und gemütlich pilgere ich den Morgen über bis ich gegen Mittag Lehrberg erreiche. Am Südrand des Dorfes gibt es einen Supermarkt und einen Bäcker/Metzger mit leckerer Warmtheke.
Mit wohlgefüllem Bauch komme ich wenig später nach Häslabronn, wo ich 2020 schon unterwegs war.
Im Gutshof in Colmberg hätte ich eigentlich gerne übernachtet, der ist aber am frühen Nachmittag noch geschlossen. Das Wetter ist stabil und notfalls könnte ich auch wieder im Freien übernachten. Also weiter.
In Oberhegnau, am Trinkwasserbrunnen, fülle ich Wasser nach. Eine nette Geste den Wanderern trinkbares Wasser zur Verfügung zu stellen.
Die nächste Herberge auf meiner Liste ist die "Herberge im Hofhaus" in Binzwangen. Ich rufe dort an und werde überaus freundlich begrüßt.
Mein Zimmer in der "Herberge im Hofhaus"
Für eine Pilgerherberge nicht eben billig, ist das Gebäude wunderschön saniert und ich genieße Dusche und Bett. Wie üblich sorgt der Pilger für das Essen selbst. Die Küche, die ich für eine kleine Gebühr benutzen könnte brauche ich nicht. - Die Leckereien aus dem Bauernladen kommen mir wieder in den Sinn. - Aber es gibt Brot und Käse aus dem Rucksack. Meine bewährte Pilgerkost.

Vierter Wandertag: Binzwangen nach Rothenburg (Mi, 31.8. - 19km)

Gegen 8 Uhr verlasse ich die Herberge und folge dem Jakobsweg auf bekannter Route. Nahe Donnersberg treffe ich kurz nacheinander auf zwei Vogelbeobachter, die wegen eines Windrad-Projekts Vögel zählen. Aber in dieser Jahreszeit ist außer ein paar Graureihern nicht viel zu sehen.
Schade, daß der Jakobsweg von der Karrachmühle mit dem noch sichtbaren Turmhügel am See weg verlegt wurde.
Es geht nun immer leicht bergan, bis der steile Abstieg von der Frankenhöhe  etwa fünf Kilometer vor Rothenburg beginnt. Dann ist Rothenburg flott erreicht und damit auch bald die Jakobskirche.
Zwei Pilger
Eine Fränkische Bratwurst mit Sauerkraut später mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof und fahre mit meinem 9-Euro Ticket über Würzburg zurück nach Heilbronn.

Rückblick:

Das war ein komplett unschwieriger Pilgerweg, den in fünf statt vier Tagen auch ungeübte Pilger sicher und komfortabel bewältigen können. Den genauen Wegverlauf kann sich jeder hier herunterladen. Für mich eine sehr angenehme Möglichkeit den Kopf schnell wieder in den Pilgermodus zu bekommen und für ein paar Tage besinnlich in der Natur zu sein.
Auch vier Tagesmärsche sieht man auf der Karte