Freitag, 2. Mai 2025

Elfte Wanderung 2025: Mont-de-Marsan nach Deba

Elfte Wanderung 2025: Mont-de-Marsan nach Deba

Zwei Wochen Zeit, um die Pyrenäen zu erreichen, zu queren und den Fuß auf die iberische Halbinsel zu setzen. Nie hatte ich so viel Zeit für meine Pilgerfahrt.
Von den Landes ins Baskenland

Anreise und erster Wandertag (Samstag, 29.3.2025 - ca. 5km)

Die Anreise läuft mal wieder wie am Schnürchen! 5:34 Abfahrt in Heilbronn, Umstieg in Karlsruhe in den TGV, eine kleine Wanderung durch Paris. Dann Ouigo TGV und noch ein bisschen TER Regionalzug. Nach 12 Stunden stehe ich in Mont de Marsan am Rande der Landes. Einziger Plan für heute: Finde einen Platz für das Zelt.

Boden und Wald sind noch "Landes"-typisch :-)
Nach 5 Kilometern habe ich eine Schneise im Wald erreicht, auf der ich mein Zelt aufbaue. Es wird kalt in der Nacht.

Zweiter Wandertag: nach Saint-Sever (Sonntag, 30.3.2025 - ca. 15 km)

Beim ersten Tageslicht, noch vor Sonnenaufgang, packe ich das innen und außen gefrorene Zelt in den Rucksack und breche auf. Für heute habe ich zur Eingewöhnung eine kurze Strecke geplant. Schon bald ändert sich der Charakter der Landschaft: Wälder werden weniger, der Boden seltener sandig.
Ex Oriente Lux
Wiesen und Felder sind noch weiß vom Reif, die Luft kalt und klar. Als die Sonne höher steigt, packe ich das Zelt nochmals aus. Der Frost fällt wie Schnee aus der Zeltplane. Ein Teil der Feuchtigkeit lässt sich so einfach ausschütteln.
Während das Zelt in der Sonne trocknet, mache ich mir von den mitgebrachten Vorräten ein Frühstück.

Schon am Mittag erreiche ich die im ehemaligen Jakobinerkloster (=Dominikaner) eingerichtete Pilgerherberge. Der Herbergsvater spricht Deutsch. Er hat eine deutsche Frau und wohnt direkt gegenüber. Die Herberge ist schlicht, hat aber alles was man braucht.
Kurz nach Mittag in der Herberge
Saint Sever ist ein sehr nettes Örtchen, das seine Wurzeln in der Zeit der Römer hat. Es gibt einen gut ausgeschilderten Stadtrundgang mit einer Youtube-Kloster-Story. Überall begegnet mir die Jakobsmuschel.

Eines der Museen ist geöffnet. Dort ist das Severusreliquiar ausgestellt. Die Kreuzgänge der beiden Klöster sind frei zugänglich. Durchaus ein Ort, an dem ich ein- oder zwei interessante Tage verbringen könnte.

Dritter Wandertag: Von Saint-Sever nach Labastide-Chalosse (Montag, 31.3.25 - ca. 24 km)

Der Herbergsvater hatte die Bäckerei um die Ecke empfohlen. So starte ich mit einem ordentlichen Frühstück in den wiederum klaren, kühlen Morgen. Ein kräftiger Eukalyptusgeruch steigt mir immer wieder in den Gassen des Ortes in die Nase. Schon beim Bäcker hatte er mich irritiert. Woher der kommt wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.
Die Wanderung ist recht easy, mit einem harmlosen Höhenprofil komme ich auf Feldwegen und später Nebenstraßen durch nette, kleine Dörfer.
Am späteren Morgen stehe ich auf einem Hügel und blicke nach Süden. - Sind das Wolken oder Berge? Ich bin nicht ganz sicher und frage einen Einheimischen. Ja, das sind die Pyrenäen! Wenn man die sieht, schlägt das Wetter um meint er. - Kurz darauf sind sie dann unverkennbar zu sehen.
Pyrenäen!!!
Die Kirche in Audignon, wo ich meine Mittagspause verbringe, ist bemerkenswert und ich werde aus dem Stil nicht recht schlau. Kein Wunder: sie wurde im 12. Jahrhundert gebaut, aber im 16. und 18. Jahrhundert überarbeitet. Das gibt eine recht kuriose Mischung.
Kirche in Audignon
In Hagetmau gibt es einen Carrefour. Dort gibt es eine gute Auswahl an Brot und Käse, um die schwindenen Vorräte aus Deutschland wieder aufzufüllen.
Mein eigentlich angepeilter Übernachtungsplatz erweist sich als ungeeignet. Ich gehe weiter und halte die Augen offen. Etwa zwei Kilometer nach Labastide-Chalosse finde ich einen abgesperrten und ziemlich vernachlässigten Picknickplatz. Ideal für meine Zwecke: Gut hundert Meter abseits der Straße und nicht in dem Zustand, daß Touristen ihn benutzen wollen würden. Darüber hinaus mit einer Schranke abgesperrt. Das garantiert eine störungsfreie Nachtruhe.

Super ruhiges Plätzchen

Vierter Wandertag: Von Labastide-Chalosse nach Orthez (Dienstag, 1.4.2025 - ca. 22 km)

Bei den großen Temperaturunterschieden (20 Grad am Tag, 6 Grad in der Nacht) fällt reichlich Tau und ich warte bis die Sonne aufgeht, damit ich mein Zelt zum Trocknen in die Bäume hängen kann.
Nach einem kurzen Frühstück geht es dann wieder los. Nette, kleine Dörfer. Es gibt hier auch erstmals seit langem Tourismus-Inftastruktur: VTT-Strecken, Sitzbänke, ausgeschilderte Wanderwege. Heute merke ich, daß die Füße strapaziert sind und die Muskeln etwas tun müssen. Typisch für den dritten Wandertag. (Der erste mit seinen 5km zählt ja nicht wirklich.)
Das Wetter ist traumhaft und die Aussicht auf die Pyrenäen großartig. Wie eine weiße Wand ziehen sie sich über den Horizont. Im Westen sind sie erkennbar weniger hoch und schneefrei. Das ist meine Richtung.
Ich kann mich kaum daran satt sehen.

Weiße Wand am Horizont
Vor Orthez verlaufe ich mich im Wald und finde den von mir als Übernachtungsplatz geplanten Aussichtspunkt nicht. Also halte ich wieder einmal die Augen offen, ob mir ein geeigneter Platz über den Weg läuft.
Tut er nicht.
Und das ist prima! Denn die Pilgerherberge in Orthez ist ein Traum!
Pilgerherberge "Hotel de la Lune"
Am Abend sind wir vier Pilger in der Herberge. Die Herbergseltern, ein älteres Ehepaar, kommen vorbei, tragen umständlich unsere Namen in die Liste ein und kassiert die Übernachtungsgebühr.
So viel Geschichte in so einem kleinen Hinterhof: Ursprünglich war statt der Treppe eine einziehbare Leiter angebracht, um die Bewohner vor ungebetenem Besuch zu schützen. Der Lagerraum im Erdgeschoß hat daher auch keine Verbindung zum Wohntrakt. Mehr Info: Hotel de la Lune
Auch Orthez wäre es wert, für mehr als einen Tag besucht zu werden.
Ich versorge meine wenigen, kleinen Blasen und wasche meine Wäsche. Dann ab ins Bett.

Fünfter Wandertag: Von Orthez nach Sauvetette-de-Bearn (Mittwoch, 2.4.2025 - ca. 25 km)

Einfach nur pilgern. Erst mal über die historische Brücke raus aus Orthez.
Brücke über "Le Gave de Pau"
Ein paar schöne Kirchen, aber ansonsten kaum Dörfer auf der Strecke. Dafür viel Landschaft, Kühe und Pferde.
Pilgerstatue bei L'hopital d'Orion
Es ist sehr angenehm zu laufen, weil der Himmel etwas bedeckt ist.
Unter der Brücke
Schon wieder bin ich in einer wunderschönen kleinen Stadt am Fluss gelandet: Sauveterre-de-Bearn. Schöne alte Kirche, mittelalterlicher Ortskern. Es hat immer noch viele baufällige Ruinen. Andererseits sehe ich unheimlich viele Renovierungsarbeiten an den alten Gebäuden. Die stecken ordentlich Geld in den Erhalt und ich kann mir vorstellen, dass das wirkt. Nicht nur für die Touris, sondern auch für die lokalen Handwerker.
Wunderschöner Ort. - Blick von der Flußinsel
Ich kann mir wieder gar nicht alles anschauen, so viel gibt es hier zu sehen. Der Campingplatz, auf dem ich die Nacht verbringe ist eher unspektakulär.

Sechster Wandertag: Von Sauveterre-de-Bearn nach Harambeltz (Donnerstag, 3.4.25 - ca. 24km)

Das täglich neue Pilgerwunder: Alle Sachen finden wieder ihren Platz im Rucksack


Der Charakter der Landschaft ändert sich im Laufe des Tages mal wieder. Es wird hügeliger und insgesamt etwas rauer. Am späteren Vormittag erreiche ich die Grenze von Navarra, dem Land Sancho des Starken. Ich verpasse ihn allerdings um rund 800 Jahre.
Grenze zu Navarra
An der "Stele de Gibraltar" treffen drei Jakobswege zusammen:
  • die Via Limovicensis, die ich entlang von Vezelay und Limoges herunter gekommen bin
  • die Via Turonensis, die vom Paris über Tours und Bordeaux herunter führt
  • die Via Podiensis, die beliebte Strecke von Puy-en-Velay
Stele Gibraltar
Der Name hat allerdings nichts mit dem Felsen an der Meerenge zu tun, sondern ist eher auf einen baskischen Ortsnamen, eine Anlehnung an das baskische Wort für "Retter" oder auf das baskische Wort "Chibaltarem" für Treffpunkt zurückzuführen.
Danach folgt eine sehr schöne Strecke über einen schmalen, gewachsenen Weg aus Kalkplatten
Schöner anstieg voraus
Auf dem Hügel weht ein eiskalter Wind und ich bin ganz froh, als ich Harambeltz erreiche. Dort betreibt Marie in einem alten Haus eine Pilgerherberge. In der warmen Küche sitzt schon ein Niederländer. Marie kocht und erzählt und Geschichten aus der Geschichte des kleinen Weilers.
Pilgerherberge in Harambeltz
Ich trockne noch mein nasses Zelt auf der Wäscheleine, dann suche ich nach der Bauersfrau des benachbarten Hofs. Sie hat den Schlüssel zur Kirche. Das Gebäude aus dem 12. Jahrhundert gehört den vier Häusern des winzigen Flecken. Die Bewohner hatten während der französischen Revolution die säkularisierte Kirche 1795 vom Staat zurück gekauft. Dieses Besitzrecht wird mit den Gebäuden im Dorf noch heute weitergegeben.
Viel zu entdecken
Die Akkustik ist interessant. Durch den komplett hölzernen Ausbau gibt es keinerlei Hall in der Kirche.
Früher einmal muß die Kirche einen Anbau für Pilger gehabt haben, der aber nicht erhalten ist. Die Versorgung der Pilger hat hier eine lange Tradition.

Siebter Wandertag: Von Harambeltz nach St. Jean Pied de Port (Freitag, 4.4.2025 - ca. 26 km)

Ein prima Wandertag: klarer Himmel und kühle Luft erwarten mich vor der Herberge. Saubere Kleidung (Marie hat gewaschen), die Ausrüstung ist sauber und trocken. Also alles startklar!

Die Schafe auf dem Weg zur Arbeit.
Sie finden ihren Weg alleine.
Die Gegend bleibt ländlich. Kühe, Pferde und Schafe am Wegrand. Unterwegs treffe ich Philipp aus Luxembourg, der nach einem Sturz mit aufgeschlagenem Knie neben mir eine Weile her humpelt.
Die Strecke ist recht anspruchslos und einfach zu gehen. Um die Mittagszeit erreiche ich Schutzhütte "ancien moulin du prieuré-hôpital d‘Utziat". Dort stehen frei zugänglich Betten für Pilger und es gibt fließend Wasser. Aber der Tag ist noch jung und ich setze den Weg nach St. Jean Pied-de-Port fort.
Am St. Jakobs Tor angekommen
Alle Pilger, die zu Fuß nach St. Jean kommen, betreten den Ort durch das Jakobstor. Aber dahinter geht's rund! Kurz hinter dem Tor ist die Pilgerherberge der Freunde des Heiligen Jakob. Dort herrscht ein völlig heilloses Gedränge, Gerufe und Geschiebe. Das ist mit nichts zu vergleichen was ich in den letzten 10 Jahren erlebt habe. Weiter die Straße entlang wird es nicht besser. Die privat geführten Herbergen haben schon ihre "Herberge belegt" Schilder rausgehängt.
Alles klar: das brauche ich nicht. Es gibt ja noch den Camping Municipal, dann suche ich den mal eben. - Nein, der hat so früh im Jahr noch geschlossen. Ansonsten gibt es nichts am Ort oder in der unmittelbaren Umgebung.
Ich gehe los, um mir mal den Wohnmobil-Stellplatz anzuschauen. Die sind normalerweise für Zelte völlig ungeeignet, aber vielleicht geht ja da was. - Ein seltsamer Ort: Das war offenbar mal ein Campingplatz. Die Rezeption ist eingezäunt, ziemlich runtergekommen und mit Katzen überfüllt. Kein Mensch da, der für irgendetwas zuständig zu sein scheint. Keine sanitären Anlagen, kein Wasser. 
Auch gut. Ich baue einfach mein Zelt auf einem Platz hinter einer Hecke auf. Eine öffentliche Toilette gibt es ein paar Straßen weiter, gut 5 Minuten zu Fuß entfernt.
Ich gehe erst mal Lebensmittel für die nächsten Tage einkaufen. Zurück beim Zelt ist wiederum niemand zu finden. Ich mache mir ein kleines Abendessen und erkunde dann noch die Festung und die Stadt.
Bei Nacht sehr schön
Sicherlich ist ein Grund für den heutigen Trubel im Ort die Tatsache, daß freitags viele Pilger hier starten. Hier beginnt das, was man gemeinhin unter dem Jakobsweg versteht: Der Camino Frances.
Bei der Menschenmenge aber nicht das, was ich suche. Daher werde ich morgen schon früh aufbrechen und ein paar Tage die Pyrenäen auf eigene Faust queren.
Die Touris schlafen schon

Achter Wandertag: Von St. Jean in die Wildnis (Samstag, 5.4.2025 - ca. 21km - Aber über 1000 Höhenmeter)

Ich betrachte mich als sehr erfahrenen Wanderer. Gerade deshalb habe ich vor der heutigen Wanderung angemessenen Respekt. Es wird lang, steil und es ist vorhersehbar, daß einige Passagen nicht für schweres Gepäck geeignet sein werden.
Ungefähr die Hälfte der Strecke ist völlig harmlos. In Leiparze gibt es einen Supermarkt, wo ich Wasser nachfülle und dann geht es steil bergan. Dafür it es traumhaft schön und ruhig.
Ich halte mich zu großen Teilen an den Verlauf des GR10. Der Wanderweg führt in Ost-West Richtung durch die Pyrenäen über die Gipfel. 
Immer wieder begegne ich den hier halbwild lebenden Ponies. Wahrscheinlich sind das die Pottock-Ponys, die scheinbar ohne Zäune und Mauern frei in den Bergen unterwegs sind.
Pottock-Ponys

Auf dem Weg zum Buztanzelai gibt es ein paar Kletterpassagen, die bergauf ganz ok zu bewältigen sind. Eigentlich hatte ich den Berg ja umgehen wollen, da habe ich aber keinen ungefährlichen Abzweig gefunden. - Mal abwarten wie der Berg auf der anderen Seite aussieht.
Aber jetzt gibt es erst mal Gipfelglück!
Geschafft!
Ich bin hier noch ein ganz erhebliches Stück vom Meer entfernt. Aber es ist schon recht deutlich zu erkennen:
Saint-Jean-de-Luz und Biarritz liegen in dieser Richtung
Erfreulicherweise ist der Berg auf der anderen Seite recht flach und der Abstieg ist ganz easy. Überall sind Hinweisschilder auf Dolmen und Menhire, die aber hier eher bescheiden sind. Da bin ich auf meiner Pilgerfahrt schon ganz anderen Steinen begegnet.
Ungefähr zwei Kilometer abseits meiner Route ist in der Karte ein am GR10 gelegener Platz markiert, der sich zum Zelten eignet und eine Quelle in der Nähe hat. 
Bester Zeltplatz!
Ich koche ein Abendessen und schaue der Sonne zu, wie sie hinter den Bergen versinkt. Die Nacht ist ruhig und mild.

Neunter Wandertag: Aus der Wildnis ins Kloster Urdax (Sonntag, 6.4.2025 - ca. 21km)

Toll! Heute mal kein nasses Zelt! Es ist auch nicht besonders kalt. Sehr angenehm also für ein gemütliches Frühstück. Heute wird es vorwiegend bergab gehen, also kann ich den Tag gemächlich angehen. An der Quelle fülle ich Wasser nach. Das ist so klar und sauber, daß ich auf den Filter verzichte.

Die Wege heute sind sehr ordentlich und ich komme ganz flott voran. Überall weiden Wildpferde in der Sonne und die erste Hälfte des Tages verläuft der Weg relativ flach über die Hügel. Das ist super angenehm zu gehen.
Dann führt mein Weg mich ungefähr 1000 Höhenmeter steil bergab. Das sind wirklich gute Wanderwege dort, die es mir recht leicht machen. Es ist Sonntag und von der etwas höher gelegenen Straße höre ich immer wieder laute Motorräder. Weiter unten im Tal wird es wesentlich ruhiger und bald erkenne ich durch die Bäume das Kloster.
Es gibt ein Museum und eine Tourist-Info. Glücklicherweise ist in der Tourist Info noch jemand da, obwohl alles andere jetzt am Sonntagnachmittag schon geschlossen ist. Es dauert ein Weilchen bis ein Schlüssel für die Herberge gefunden ist.
Der Schlafsaal
Eigentlich könnte die Pilgerherberge absolut traumhaft sein. Aber sie ist in einem sehr vernachlässigten Zustand. Es ist muffig und ziemlich dreckig. Was da im Kühlschrank wächst, ist mir auch nicht ganz geheuer. - Ich schaue, ob ich im Dorf irgendwo etwas auftreiben kann.
Außer einem Glas Cola in der Bar des Örtchens ist um diese Zeit nichts mehr zu bekommen. Kein Laden, kein geöffnetes Restaurant. Ich werde erst übermorgen wieder an einem Laden vorbei kommen. Bis dahin ist Schmalhans Küchenmeister. Die Reste des Brotes und des Käses von gestern teile ich mir passend ein, ein kleines Fertiggericht aus meinem Vorrat dazu und das Hungergefühl ist besiegt.
Der Kreuzgang
Es kommt noch ein französisches Ehepaar, dem es auch nicht viel besser ergeht. Der Herbergsvater, der eigentlich kommen wollte, um unsere Personalien aufzunehmen erscheint nicht.
Recht früh am Abend endet dieser Tag.

Zehnter Wandertag: Von Urdax zur Biwakhütte (Montag, 7.4.2025 - ca. 19km)

Au weia... das hatte ich unterschätzt: Es geht 150 Höhenmeter steil bergauf. Das klingt eigentlich nicht schlimm und sieht auf der Karte auch nicht wild aus. Aber: Da ich mir die Route auf Google Earth und Komoot zusammengeklickt habe, sind einige Wege für Menschen eher ungeeignet. Das scheinen Trampelpfade für Schafe zu sein. Mit dem großen Rucksack bleibe ich immer wieder im engen Stechginster hängen, der sich über den Pfad wölbt. Zum Glück ist es trocken und das Geröll ist nicht rutschig. Ich komme aber nur sehr langsam vorwärts.
Das ändert sich allerdings auch schnell wieder, nachdem ich ordentich Höhe aufgebaut habe. Die Lanfschaft öffnet sich zu Wiesen und Weideflächen. Hier reiht sich geradezu Steinkreis an Steinkreis und Dolmen an Dolmen.
Die Steinkreise bleiben etwas hinter Stonehenge zurück
Es gibt auch Dolmen
Ein Gasthof an der Straße, die ich quere ist heute geschlossen. Na ja... da sollte später nochmal einer kommen.
Ich muss nun Höhe abbauen und das bedeutet auf dem einzigen Weg, den ich auf der Karte finde: In direkter Falllinie über 300 Höhenmeter abwärts. Das tut den schon ganz ordentlich strapazierten Zehen nicht so gut. Zur Unterhaltung tragen allerdings die in der Sonne weiß leuchtenden Schafe bei, die sich auf ihren skurril dünnen Beinchen mühelos auf dem Pfad bewegen. 
Dann wieder ein Gasthaus! - Aber montags ist alles geschlossen. Das Mittagessen fällt mager aus.
An einer Quelle filtere ich zwei Liter Wasser, die mir den Tag über locker ausreichen.
Blick  auf La Rhune. - Am Wetter ist nichts auszusetzen.
Immer auf der Höhe bleibend, erreiche ich am Nachmitag die renovierte Hütte des Jagdvereins. Außerhalb der Jagdsaison darf die Hütte von Wanderern benutzt werden. Der größere Teil des Gebäudes ist verschlossen.
Vor wenigen Jahren was das noch eine Ruine
Es gibt aber einen  nicht verschlossenen Biwakraum. Aber ich habe den Eindruck, daß da Mäuse wohnen und bei den sehr milden Temperaturen kann ich unter dem Dach auf der Terrasse auch nur das Innenzelt aufbauen.
Schön luftig
Ich koche ein kleines Abendessen und lasse mir einen kleinen Kanten Brot für das Frühstück übrig. Als ich in meinen Schlafsack krieche, schlängelt sich etwas mein Bein hoch. Aha! Eine der kleinen Eidechsen hat es doch tatsächlich geschafft, sich in mein Zelt und dort in meinen warmen Schlafsack zu schummeln. Gar nicht so einfach so ein erschrockenes Tierchen da wieder raus zu bekommen.

Elfter Wandertag: Von der Berghütte nach Irun (Dienstag, 8.4.2025 - ca. 21km)

Ein toller Morgen! Es ist ruhig, auf dem Hügel. Unweit der Hütte grasen ein paar kleine Pferde. Es ist noch etwas neblig, aber dennoch nicht zu kalt. In den Tälern liegt dichter Nebel.
Bestes Wanderwetter!
Die Qualität der Wege wird umso besser, je näher ich der Zivilisation komme. Pünktlich zum Mittagessen erreiche ich das Grenzdorf "Col d'Ibardin", das nach der Einsamkeit der Berge ein ziemlicher Kulturschock ist. Restaurants, Supermärkte und ein Tabak/Alkohol-Laden am anderen. Alles in allem kein sehr ansehnlicher Ort.
In einer kleinen Bar am Straßenrand kehre ich auf eine Dose Cola ein. Zucker/Wasser/Koffein - Mein Körper hat schon recht deutlich klar gemacht, daß er daran jetzt dringenden Bedarf hat.
Dann noch ein sehr ordentlicher Burger und die Welt ist wieder in Ordnung. Auf der Terrasse des kleinen Restaurants habe ich Aussicht auf die andere Seite von "La Rhune"
Wieder La Rhune. Jetzt von Osten.
Satt und zufrieden mache ich mich wieder auf die Socken. Zuerst nochmal 200 Höhenmeter Anstieg, dann geht es nur noch bergab. Die Wege sind schick geschottert. Offensichtlich ist das hier das Naherholungsgebiet für alle, die nicht im Meer baden wollen.
Das Meer!
Ich treffe ein Pilgerehepaar aus Österreich, das schon länger unterwegs ist und ebenfalls auf dem GR10 über die Pyrenäen gekommen ist. Ihr Weg hatte sie aus ihrer Heimat über Italien hier her geführt. Auch sie wollen den überfüllten Camino Frances vermeiden. Nach kurzer Zeit trennen sich unsere Wege wieder. Sie kürzen diagonal durch das Inland nach San Sebastian ab, während ich über Hendaye nach Irun zum Startpunkt des Camino del Norte gehe.
In Hendaye ist ganz schön was los: Viele Ruderer auf dem Wasser, viele Spaziergänger auf den Promenaden. Die Stadt selbst ist keine Schönheit, aber es gibt nette Ecken. Nach dem Bahnhof überquere ich die Brücke nach Irun. Es ist ein ganz ordentliches Stück durch die sehr belebte Stadt, bis ich die Pilgerherberge erreiche.
Es herrscht reger Betrieb, aber die sehr große Herberge ist gerade mal zu zwei Dritteln ausgelastet.
Schlicht und funktional: Herberge in Irun
Es hat ein bisschen Schulsporthallenatmosphäre dort und ist wirklich prima organisiert. Ich bekomme das Bett Nr. 53 zugewiesen. Daneben das zugehörige Fach für den Rucksack.
In der Eingangshalle treffe ich Philipp aus Luxemburg wieder. Nanu, der wollte doch in St. Jean Pied-de-Port kellnern, um sich die nächsten Wochen auf dem Weg zu finanzieren. Cool: Sein Partner hat ihm einen 1000-er überwiesen und nun ist er hier. Über den Daumen gepeilt, kann man mit 25€ am Tag auf dem Jakobsweg auskommen. Das wären 40 Tage. Rechnet man konservativ mit 20 km pro Tag, bringt ihn das ziemlich genau bis nach Santiago.
Ich mache noch einen Ausflug zum nahegelegenen Supermarkt, dusche ausgiebig die klebrige Schweiß/Sonnencreme/Staub-Mischung von der Haut und haue mich aufs Ohr.

Zwölfter Wandertag: Von Irun nach Pasaia (Mittwoch, 9.4.2025 - ca. 15 km)

Och nöööö... muss das wirklich sein? Noch weit vor 5 Uhr fangen die ersten Pilger an ihre Sachen zu packen. Unvermeidbar, daß das ein Geraschel und Geklapper ist. Das Herumgefunzle mit den Stirnlampen ist super störend. Gegen 6 sind sie weg und ich bekomme noch ein dreiviertelstündchen Schlaf ab.
Die verbliebenen Pilger starten entspannter in den Tag: Es gibt ein schlichtes Frühstück in der Herberge. Kaffee, Tee, Toast und Butter. Die Stimmung ist gelöst und von freudiger Erwartung geprägt. Für viele ist das der erste Tag als Pilger. Eine aufregende, neue Erfahrung, die ich noch gut nachempfinden kann.
Im Tal ist es noch neblig
Der Weg aus Irun heraus ist kurz und schon bald geht es von Meereshöhe auf über 500 Meter. Ich hatte anderthalb Wochen Zeit mich einzulaufen, dementsprechend leicht fällt mir der Anstieg. Für andere ist es hart und ich bin nicht sicher, ob es wirklich alle am Ende aus eigener Kraft geschafft haben. Wer angemessener geplant hatte, hat den flacheren Weg am Fußes des Jaizquibel genommen.
Über dem Nebel
Der Weg über den Berg lohnt sich allerdings. Die Aussicht auf die Pyrenäen ist fantastisch, während das Meer noch komplett unter den Wolken versteckt ist. Ich treffe Jake aus Dänemark und wir gehen ein Stück zusammen. Gegen Mittag mache ich Pause auf dem Gipfel.

Über den Bergrücken zieht sich eine lange Kette von fünf Ruinen sechseckiger Wachtürme. Die sind gar nicht so alt: Sie wurden während des letzten Karlistenkrieges (1872-1876) gebaut.
Vom militärischen Sperrgebiet am Fuße des Berges höre ich immer wieder Schüsse.
Am südlichen Ende des Bergrückens stehen große Sendeanlagen. Danach fällt der Weg steil bergab und führt mich schließlich zur ehemaligen Einsiedelei Santa Ana, die jetzt als Pilgerherberge genutzt wird.
Ich bin nach gerade mal 15 Kilometern viel zu früh da und muß warten bis die Herbergseltern die Herberge gegen 16 Uhr öffnen.
Oben im Bild: Santa Ana Ermita, die Herbege
Um selbst an einen Kaffee zu kommen und ein bisschen Abwechslung zu haben biete ich den Wartenden an, über das Labyrinth von Treppen hinunter ins Dorf zu gehen und nach Kaffee zu suchen. Jake, der Däne und eine deutsche Pilgerin nehmen das gerne an. - Es ist ein sehr idyllisches Örtchen, wie man es vielleicht eher an der italienischen Mittelmeerküste erwarten würde. Enge Gässchen, Arkaden und niedrige Durchgänge. Sehr nett. - Dort einen "Coffee to go" zu finden ist gar nicht so einfach. In der Bäckerei werde ich fündig und drei Kaffebecher im Hut balancierend steige ich wieder zur Herberge auf. Der Kaffee ist nicht sensationell, aber das beste, was auf die Schnelle zu bekommen war.
Die Herberge ist mit ihren 15 Plätzen sehr schnell vollständig belegt. Das reicht gerade so für die Wartenden. Es gibt keine Küche und die Restaurants sind auch nicht so verlockend. Es gibt aber einen Supermarkt am Ende des Dorfes, wo sich alle mit Vorräten eindecken.
Am Abend, in der Sonne auf den Bänken vor der Herberge ist noch ein nettes Beisammensein, bis alle recht früh in ihren zugeteilten Betten verschwinden.

Dreizehnter Wandertag: Von Pasaia nach Zarautz (Donnerstag, 10.4.2025 - ca. 26km)

Frühstück gibt's hier nicht, aber angeblich einen Picknickplatz nicht weit entfernt am Weg. Also los! Zuerst mit der winzigen Fähre über die Bucht. Glücklicherweise ist es windstill, das Wasser ist spiegelglatt. Zu fünft werden wir übergestzt.
Fünf Pilger mit Rucksäcken passen da kaum rein
Der angekündigte Rastplatz ist sehr bald erreicht, auch wenn er nur eingeschränkt nutzbar ist, gibt es doch ein unterhaltsames Pilgerfrühstück. Wir gehen noch ein Stück zusammen, danach trennen sich die Wege wieder. Die meisten wollen bis Orio gehen, ich möchte bis nach Zarautz auf den Campingplatz.
Der Weg ist super angenehm zu gehen und landschaftlich schön.
Ein gut erhaltener kleiner Aquädukt am Wegesrand
Aber zuerst kommen wir nach San Sebastian. Hier gibt es den ersten, wichtig schönen Strand. Das Wasser ist kristallklar und kühl.
Schönstes Meer
Jake, der Däne und eine Niederländische Pilgerin haben heute ihren zweiten Tag und die gestrige Wanderung über den Jaizkibel war kein leichter Einstieg. Sie haben sich in San Sebastian Unterkünfte gesucht. Wir setzen uns noch in ein Café, danach mache ich mich wieder auf die Socken. - Damit bin für die zweite Tageshälfte wieder solo unterwegs.
Am Ende der Strandpromenade geht es steil bergauf. Dann wieder über einen langgezogenen Hügel, der allerdings viel flacher ist als gestern und schön abwechslungsreich ist.
Das hätte ich gerne in den Rucksack gesteckt
Die Wege sind in gutem Zustand und gelegentlich gibt es schöne Rastplätze. Ich komme durch das idyllische Fischerdorf Orio mit seinen Renaissance-Häusern und einer Kirche mit schöner Atmosphäre. Es ist herrlich verwinkelt. Die meisten Pilger hatten geplant hier zu übernachten. Es gibt aber keine Pilgerherberge und die Unterkünfte sind komplett ausgebucht.
Nicht alles Wege sind so. - Manche aber schon.
Mein Ziel ist der wenige Kilometer weiter gelegene Campingplatz in Zarautz. Ich baue mein Zelt ausf und esse im Restaurant des Campingplatzes. Kaum im Zelt, fängt es an zu regnen.

Vierzehnter Wandertag: Von Zarautz nach Deba (Freitag, 11.4.2025 - ca. 25 km)

Was für eine unangenehme Nacht! Bis nach drei Uhr hat ein kräftiges Gewitter gewütet. Das wäre nicht weiter schlimm, aber der Platz, auf dem mein Zelt steht ist nicht zum Zelten geeignet, da die Heringe nicht in den steinharten Boden zu bekommen sind. Das eigentliche Zelt steht zwar auch so, aber das Vorzelt wird immer wieder aus der Verankerung geblasen. Ich versuche alle Tricks. Nichts hilft. Am Ende muß ich das ganze Gerümpel (Rucksack, Flaschen, Vorräte, Schuhe) zu mir ins Zelt nehmen. Das Zelt hat ziemlich genau meine Maße und lässt wenig Platz für Gepäck im Innenzelt.
Mit eindeutig zu wenig Schlaf stehe ich am Morgen auf und packe das noch nasse Zelt ein.Das Wetter sieht super aus. Wahrscheinlich schaffe ich es heute nach Deba.
Rechts oben der Campingplatz, unten Zarautz
Von Zarautz nach Getaria führt die vornehmste Strandpromenade bislang. Nicht nur weil flach und gepflegt: Es gibt auch immer mal wieder Wasserspender. Und eine Art Meeres-Freibad, das aber wegen Ebbe gerade kein Wasser hat.
Auf der Strandpromenade
Es geht nach Getaria ein bisschen rauf und runter und ich begegnet noch einigen Pilgern, darunter erstaunlich vielen Amerikanern. Es ist hier wie im Allgäu, aber mit Meer.
Kühe und Meer
Die Herberge in Deba ist leicht zu finden. Gut gemacht: Die Bahnhofshalle ist mit allem ausgerüstet was ein Bahnhof braucht, darüber ist auf zwei Etagen die Pilgerherberge. Sie ist schon geöffnet, als ich ankomme. Aber die Bettennummer bekommt man in der Touri-Info gegen Bezahlung zugeteilt. Und die ist im Gegensatz zur Herberge gar nicht so einfach zu finden. Auf der Suche begegnet ich ein paar niederländischen Pilgern, die die Suche schon hinter sich gebracht haben und mir den Weg weisen.
Es gibt in der Herberge wiederum keine Küche und weder Abendessen noch Frühstück. Aber nicht weit entfernt gibt es zwei Supermärkte. Es ist ganz schön was los in dem kleinen Örtchen. Auf dem zentralen Platz scheinen sich abends alle zu treffen: Groß und Klein, Alt und Jung. Ein erstaunliches Gewimmel.
Ich checke noch die Fahrkartenautomaten in der Schalterhalle. Alles easy, das sollte morgen funktionieren. - Ich haue mich aufs Ohr.

Tag Fünfzehn - Kein Wandertag. (Samstag, 12.4. - keine nennenswerten Kilometer)

Die spanische Euskotren Bahn fährt pünktlich ab, mit einem Mal Umsteigen bin ich gegen Mittag in Hendaye. Ich werfe den Rucksack im Hotel ab und mache mich auf den Weg zum nächsten Supermarkt. In einem Park schmiere ich mir leckere Baguettes zum Mittagessen
Hotel Santiago - sehr passed
Um 14h checke ich ins Hotel Santiago ein. Ich habe ein ziemlich großes Doppelzimmer. Etwas kleineres war nicht zu bekommen. Aber das nutze ich dafür voll aus und nehme zuerst eine sehr lange und sehr heiße Dusche. Nach einer kleinen Siesta mache ich noch eine Runde durch den Ort. - Nicht besonders spektakulär hier. Von meinem Balkon aus habe ich einen tollen Blick auf Berg, mit dem ich am Mittwoch den "Camine del Norte" gestartet hatte.
Jaizkibel
Als ich auf dem Balkon mein Abendessen knabbere, ziehen dunkle Wolken auf. Für die nächsten beiden Wochen ist schlechtes Wetter vorhergesagt. 

Rückreise, 13.4.25 - Auch kein Wandertag

Alle französischen Züge sind perfekt pünktlich. - Bis ich in Stuttgart ankomme und feststellen muß, daß es keine Verbindung nach Heilbronn-gibt. Eine kurze Diskussionsrunde in der iMessage Familiengruppe und ich habe eine neue Route via Vaihingen/Enz. Mit einer Stunde Verspätung bin ich in Heilbronn.
Morgen geht's wieder an die Arbeit.

Fazit

Zwei Wochen sind schon cooler als eine Woche. So gibt es nur 1x die für den dritten Wandertag üblichen Schmerzen an den Füßen. Und die Kondition ist nach einer Woche absolut fantastisch - Muskelkater gab es in der zweiten Woche gar nicht mehr.
Jetzt sind es noch knapp 800 km nach Santiago. In den zwei Wochen habe ich ohne sehr lange Tagesmärsche etwa 300km zurückgelegt. Die Entscheidung auf den "del Norte" zu wechseln habe ich nicht bereut. Selbst dort finde ich es manchmal ganz schön voll. - Aber kein Vergleich zur Hauptroute. Und die selbst geplante Passage über die Pyrenäen war sagenhaft schön. Das Risiko, daß ein paar schwer passierbare Abschnitte dabei sein konnten war eingeplant. Der offizielle Verbindungsweg verläuft nördlich der Pyrenäen und ist in knapp 3 Tagen zurückgelegt.